Mit seiner Bearbeitung folgt Vogt in weiten Zügen dem Lachmannschen Vorbild, und am Aufbau und Layout der Anthologie ändert sich nichts Grundlegendes. Doch er schafft es, auch wichtige Änderungen und Neuerungen in das Werk einzuarbeiten.
Im
Textteil wurde die Reihenfolge der Dichter beibehalten, außer bei Kaiser Heinrich, der aufgrund neuer Erkenntnisse aus den Namenlosen ausgegliedert und unter seinem Namen in die Anthologie eingereiht wurde. Innerhalb einzelner Dichter kam es zu einer Neuordnung der Strophen und einige Texte, u.a. das geistliche Lied des von Kolmas, wurden ausgeschieden, da sie Vogt als nicht passend für diese Anthologie erschienen. Neben der Strophenzählung behält Vogt auch die Bezeichnung der Handschriften bei; er ergänzt diese Liste allerdings durch weiterführende Literatur. Die Anmerkungen wurden ebenfalls um neue wissenschaftliche Ergebnisse ergänzt, jene von Haupt wurden ebenfalls beibehalten und als solche gekennzeichnet. Diese Neuerungen sind für alle Neubearbeitungen gültig und sollen als solche bei den weiteren Bearbeitungen nicht mehr gesondert genannt werden.
Eine viel wichtigere und hilfreichere Neuerung von Friedrich Vogt ist die Nennung des Autors, der Nummer der Strophe einschließlich der Sigle der Handschrift am Beginn einer neuen Strophe. Noch wichtiger ist die Neubearbeitung und Nachvergleichung des Leseartenapparates, wobei Vogt nicht nur die Siglen der Handschriften sondern auch die abweichenden Lesearten von Lachmann und Haupt angibt. Der Leseartenapparat hat außerdem einen neuen Platz bekommen; er befindet sich nicht mehr im Anhang, sondern unter dem Text. Man merkt, dass nach mehr als einem halben Jahrhundert die Bedeutung des Leseartenapparates gewachsen ist, und trotzdem entschuldigt sich Vogt im Vorwort der fünften Auflage Des Minnesangs Frühling für die ästhetische Minderung, die der Text durch seine Neuerungen erfährt:
Es war mir eine unliebe Notwendigkeit, das alte schöne
Textbild durch die Fußnoten zu beeinträchtigen; so wollte ich es wenigstens
nicht durch sie überwuchern lassen. Die Strophenzahlen der Handschriften an den
Rand neben jede Strophe zu setzen, schien mir zu größerer Übersichtlichkeit nach
langjähriger Erfahrung notwendig; auch hier mußten ästhetische Rücksichten
hinter den praktischen zurücktreten.
*
Aus den Änderungen, die Friedrich Vogt
vornimmt, kann man den Wandel und vor allem die Weiterentwicklung in der
Editionswissenschaft deutlich ablesen; trotz allem prägt das Lachmannsche
Vorbild die Wissenschaft noch äußerst nachhaltig.