Die bedeutendsten Unterschiede zwischen den einzelnen Editionen kann man bei einem Vergleich auf formaler und inhaltlicher Ebene feststellen. Der Grund dafür ist das in den Anfangsjahren der Editionswissenschaft konstruierte Metrikschema, dem sich in weiterer Folge die meisten Editoren unterordneten. Dass es aber auch hier zu verschiedenen Auffassungen kommen kann, zeigt sich in der folgenden Analyse.
Karl
Lachmann wertet den Text 4,1 als Lied, das in drei Strophen zu je zwei Langzeilen unterteilt ist, die dem Metrikschema (alternierende, viertaktige Halbverse) folgen. Ausnahmen bilden hierbei nur der vierte und achte Halbvers, die jeweils um eine Hebung verlängert sind. Vogt weicht davon ab, indem er den Text nicht nur zu einer Strophe zusammenfasst, sondern auch alle zweiten Vershälften bis auf den Schluss (fünfhebig) als vierhebig wertet und in allen zweiten Halbversen mit Ausnahme des Schlusses eine Senkung zwischen der dritten und vierten Hebung synkopiert. Einige Jahre nach Vogt gibt Andreas Heusler die
Deutsche
Versgeschichte heraus, und er liest diese Zeilen vollkommen anders : Er gibt dem ersten, dritten und fünften Abvers jeweils nur drei Hebungen und setzt dahinter eine Pause von einem Takt. Kraus widerspricht dem vehement und begründet seine Entscheidung, der Leseweise Vogts zu folgen, indem er feststellt, dass die Leseweise Heuslers zu hart sei und außerdem so die Verbindung, die durch den Reim gegeben ist, durch die Pausen zerrissen wird. Den gewagtesten Schritt machen allerdings Moser und Tervooren, die, wie oben schon angedeutet, den Aspekt der metrischen Form fast gänzlich außer Acht lassen, um dem Text der Handschrift so nahe wie möglich bleiben zu können.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die
Forschungsergebnisse zu Lachmanns Text 4,13 vergleicht. Dieser sieht in den
Zeilen eine selbständige Strophe. Vogt bewertet sie als späteres Anhängsel, die
einer gegensätzlichen Stimmung Ausdruck verleihen sollen, da sie nicht nur im
Reimschema sondern auch durch den beabsichtigten Binnenreim in den Versen 15-16
vom Text davor abweichen. Belegt will er dies durch einen Reimpunkt in der
Handschrift nach dem Wort wol sehen, der aus dem mir zugänglichen Faksimile der
Handschrift allerdings nicht ersichtlich ist. Heusler setzt die Zeilen als
jüngeren Zusatz an, da die Zeilen einen umschließenden Reim enthalten und
weiters eine Mischung aus zwei und viertaktigen Halbversen darstellen. Kraus
beruft sich in seiner Einschätzung, die Verse seien jünger als
4,1, außer auf Heusler noch auf Scherer und Sievers: Ersterer beurteilt sie
als Fragmente eines selbständigen Liedes und letzterer unterteilt die Verse in
den Anfang eines Liedes (v13) und in die Bruchstücke einer schwäbischen
Tanzstrophe (vv1416). Moser und Tervooren lassen die Zeilen ohne weitere
Begründung weg und führen sie nur in ihren Anmerkungen an.