4. Des Minnesangs Frühling: Der EDV-Text

Am Ende dieser Arbeit möchte ich noch zur EDV-Text Version von Des Minnesangs Frühling Stellung nehmen, sie kurz beschreiben und bewerten.

Inhaltlich übernimmt Putmans die edierten Texte der 38. Auflage von Moser und Tervooren, und neben ihrer neuen Zählung vor den Verszeilen gibt er dem Text auch die Zählung nach Lachmann mit. Der Inhalt der gesamten Diskette besteht aus folgenden Dateien: "Mf-alf.asc" enthält ein alphabethisches Wortformenverzeichnis mit den jeweiligen Frequenzangaben zu den einzelnen Wörtern. "Mf-retr.asc" beinhaltet ein rückläufiges Wortformenverzeichnis. "Mf-txt.asc" ist die Sammlung der Texte, und "Mf-vorw.asc" setzt sich aus dem Vorwort von Putmans und einem Geleitwort von Ulrich Müller zusammen.

Aus dieser Aufzählung der Dateien kann man wahrscheinlich schon die Vor und Nachteile sowie den Verwendungszweck ablesen. Die Dateiendungen weisen auf den Inhalt hin: Sämtliche Texte sind im ASCII-Code programmiert, und daraus entsteht auch der große Nachteil dieser Textversion. Es ist im ASCII-Code nämlich nicht möglich, Superskripte oder Umlaute darzustellen, sodass die Texte erst langwierig nachbearbeitet und gesäubert werden müssen. Putmans entgegnet dem Problem schon in seinem Vorwort, indem er auf Textverarbeitungssoftware verweist, mit der dieser Schritt sehr einfach vollzogen werden kann. Doch gerade das wird manchen Benutzer veranlassen, bei der Zusammenstellung eines individuellen Textkorpus lieber zum Buch als zur Diskette zu greifen. Ich akzeptiere auch sein Argument, dass die Texte auf diese Weise jedem zugänglich sind, und berücksichtige natürlich die Einschränkungen, die im Jahre 1993 durch die Entwicklung in der Computertechnologie noch gegeben waren. Um aber eine dem Buch gleichwertige EDVAusgabe dieses Werkes zu schaffen, muss man berücksichtigen, dass die Anthologie primär zur literaturwissenschaftlichen Arbeit konzipiert ist. Das heißt, dass man zusätzlich zum Text auch die ergänzenden Bände wie zum Beispiel die Untersuchungen von Kraus im gleichen Medium zur Verfügung stellen müsste.

Putmans Idee, diese Version für korpusanalytische Arbeit zu konzipieren, birgt den Vorteil, dass man die Daten nicht erst mühevoll sammeln muss, sondern sie hier schon vorgefertigt findet. Auch hier stellt sich natürlich das Problem des ASCII-Codes, welches aber im Vergleich zur Erstellung eines eigenen Korpus als relativ gering bewertet werden kann. Die Frage, die sich schlussendlich aber doch ergibt, ist, wie man einen Korpusverwendet , der lediglich eine bunte Sammlung früher Werke einiger Minnesänger darstellt. Um autorenspezifische Analysen durchzuführen, findet man hier nicht genügend Material zu den einzelnen Sängern, und um minnespezifische Forschungen anzustellen, ist die zeitliche Bandbreite des Korpus zu gering. Ein anderer Aspekt ist, dass sprachwissenschaftliche Arbeit sicher andere Anforderungen an Texte stellt als die Literaturwissenschaft und somit nicht viel Nutzten aus diesem Korpus gezogen werden kann. Als Beispiel möchte ich hier nur Putmans Vorschlag, Syntaxanalyse durchzuführen , erwähnen: Da die Interpunktion der Texte von den Editoren durchgeführt wurde, und somit der konkrete Bezug zur Handschrift eigentlich nicht mehr gegeben ist, wird man aus einer solchen Analyse keine für die historische Sprachwissenschaft relevanten Ergebnisse erzielen können.

Ich beurteile Putmans Versuch, eine alte Wissenschaft mit neuer Technik zu beleben, trotz allem als sehr fortschrittlich und vor allem sehr wichtig, da man auf diese Weise in manchen Bereichen nicht nur effizienter arbeiten und ein größeres Publikum erreichen kann, sondern der Wissenschaft auch den "trockenen" und "altertümlichen" Charakter, der ihr leider immer noch zugeschrieben wird, nehmen kann. Bei diesem Projekt sollte aber trotzdem nicht vergessen werden, für welchen Zweck das Original konzipiert wurde. So habe auch ich mir während der Arbeit mit der EDVAusgabe Des Minnesangs Frühling die Frage gestellt, wie man dies bewerkstelligen könnte. Die heutige Technologie bietet in dieser Hinsicht viel mehr Möglichkeiten, und wie ein solches Projekt realisiert werden könnte, möchte ich auf einer der Arbeit beigelegten CD-Rom vorstellen.

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